Vorbild Beachvolleyball

Jeder hat ein Vorbild und er bringts auf den Punkt:

Volleyball in Vollendung

Von Bernd Steinle

Star im Sand - und in der Halle: Karch Kiraly

13. November 2007 Karch Kiraly war 36 Jahre alt, als er überlegte zurückzutreten. Was hatte er noch zu gewinnen? Er war der einzige Volleyballspieler, der Olympiasiege in der Halle und im Beachvolleyball gefeiert hatte; der einzige, der drei olympische Goldmedaillen gewonnen hatte; und der einzige, der es jemals zu einem Vergleich mit Michael Jordan gebracht hatte. Karch Kiraly war der Superstar des internationalen Volleyballs. Doch nun machte ihm seine Schulter zu schaffen, kein Wunder, schließlich war Kiraly 36 Jahre alt, ein gesegnetes Alter für einen Profisportler und besonders für einen, der 15 Jahre lang zur Weltspitze zählte. Doch dann gewann Kiraly vier Profiturniere nacheinander - und der alte Ehrgeiz war zurück. Karch Kiraly hängte noch ein Jahr dran. Und dann noch eins. Und noch eins.

Karch Kiraly war 46 Jahre alt, als er aufs Neue überlegte zurückzutreten. In den vergangenen Jahren hatte er die Zahl seiner Turniersiege auf nie erreichte 148 geschraubt; war noch einmal zum wertvollsten Spieler (1998) und zum besten Abwehrspieler (2002) der amerikanischen AVP-Beachvolleyballserie gewählt und vom Internationalen Volleyballverband FIVB zum Spieler des 20. Jahrhunderts erkoren worden. Doch diesmal machte Karch Kiraly Ernst. Vor der Saison 2007 teilte er mit, es sei seine letzte. In diesem Juni stieß er mit Kevin Wong bei den Tampa Open noch einmal bis ins Finale vor. In den letzten vier Turnieren aber setzte ihn dann eine Wadenverletzung außer Gefecht. „Mein Kopf könnte noch zwanzig Jahre weitermachen“, sagte Kiraly schließlich bei seinem Abschied, „aber mein Körper sagt: ,Schluss.' Ich brauchte inzwischen eine ganze medizinische Abteilung für meine Versorgung.“

„Ich war sicher ein extremer Wettkampftyp"

1996 in Atlanta holte er mit Kent Steffes (oben) Gold bei den Olympischen Spielen

Der Amerikaner Karch Kiraly, mit 1,88 Meter für sein Metier eher klein geraten, galt vielen als der beste Volleyballspieler der Welt - wegen seiner Erfolge, vor allem aber, weil er auf einzigartige Weise alle Aspekte des Volleyballsports perfekt in sich vereinte: das technische Vermögen in Annahme, Abwehr, Angriff und Block, die herausragende Spielintelligenz und das außergewöhnliche Spielverständnis, eine gewissenhafte, detailversessene Vorbereitung und - den immensen Ehrgeiz. Ein Mitspieler sagte einmal, Kiraly könne einfach nicht verlieren, nicht mal beim Monopoly. „Ich war sicher ein extremer Wettkampftyp in allem, was ich tat“, sagt Kiraly. „Aber Vater zu werden hat mir geholfen, ruhiger zu werden und zu begreifen, dass es für den Wettkampf eine Zeit und einen Ort gibt, meist auf dem Volleyballfeld. Und dass es eine Zeit und einen Ort gibt, an dem der Wettkampf keine Rolle spielt.“

Karch Kiraly war sechs Jahre alt, als ihn sein Vater László, einst ungarischer Junioren-Nationalspieler und nach der Revolution 1956 geflohen, zum Volleyball brachte. „Riesengroß“ sei der Einfluss seines Vaters gewesen, sagt Kiraly, „er war mein erster Trainer und Beach-Partner“. Als Elfjähriger trat Sohn Karch mit Vater László bei Turnieren an, vier Jahre lang. Dann machte Karch Karriere in der Halle, im College-Sport, und schloss nebenher sein Studium der Biochemie an der University of California in Los Angeles ab. Beim olympischen Heimspiel 1984 gewannen Kiraly & Co. erstmals Gold, es folgten Weltcupsieg und Weltmeistertitel. Bei Olympia 1988 in Seoul kam dann die Stunde der Bewährung. Die Amerikaner gingen als Favorit und Titelverteidiger, aber ohne Heimvorteil und Ostblock-Boykott ins olympische Turnier. Im Finale trafen sie auf die Sowjetunion, den großen Gegenspieler, „unseren Traumgegner“. Sie siegten 3:1.

 

148 Turniersiege in einer Bilderbuchkarriere

 

Danach verabschiedete sich Kiraly aus der Halle und machte sich auf an den Strand. 1990 wurde er noch einmal rückfällig und nahm mit seinem Freund Steve Timmons ein Angebot des italienischen Erstligaklubs Messagero Ravenna an, für 500.000 Dollar pro Saison. 1991 wurde Ravenna Meister, 1992 Europapokalsieger. Dann suchte Kiraly endgültig sein Glück im Beachvolleyball - genau zur rechten Zeit: 1996 wurde er in Atlanta mit Kent Steffes erster Beachvolleyball-Olympiasieger. Ein Erfolg, den er sich nie hätte träumen lassen. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass es in dem Sport, in dem es jahrelang nur um irgendeinen Pokal in Südkalifornien ging, nun so viel Preisgeld, Fernsehzeit und gar einen olympischen Wettbewerb gibt“, sagt er. Kiraly spielte insgesamt rund 3,2 Millionen Dollar ein.

Der „King of the Beach“ hat diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten geprägt - obwohl er bei Olympia 2000 in Sydney verletzungsbedingt fehlte und 2004 in Athen mit Mike Lambert als führendes Team der AVP-Rangliste den Qualifikationskriterien zum Opfer fiel. Woraufhin ihn Nationaltrainer Doug Beal fragte, ob er nicht die amerikanische Hallenauswahl in Athen verstärken wolle. Kiraly, 43 Jahre alt, lehnte ab - und arbeitete in Athen als Fernsehkommentator. Zu Hause, auf den amerikanischen Sandplätzen, spielte er sich unterdessen weiter in sämtliche Ruhmeshallen des Volleyballs. Sein letztes AVP-Turnier gewann er 2005 in Huntington Beach - Nummer 148.

 

„Ich habe keine Pläne in Sachen Politik“

 

„Man kann den Respekt kaum beschreiben, den sich Karch Kiraly in diesem Sport erworben hat. Er ist einzigartig“, sagt Holly McPeak, selbst olympische Bronzemedaillengewinnerin und 72-malige Turniersiegerin. „Er war sicher mein größtes Idol, als ich in der Highschool begann, Volleyball zu spielen“, sagt Todd Rogers, der im Juli mit Phil Dalhausser Beachvolleyball-Weltmeister wurde - und damit wieder mal zeigte, dass die amerikanische AVP-Serie der konkurrierenden FIVB-Weltserie mit den besten brasilianischen Teams nicht nachsteht. „Ich freue mich schon darauf zu sehen, wie sich die beiden in Peking 2008 schlagen werden“, sagt Kiraly. „Sie sind sehr schwer zu besiegen. Ich war glücklich, es einmal in diesem Jahr zu schaffen.“ Ganz der alte Wettkämpfer.

Der Ruheständler Karch Kiraly wird künftig weiter für das Fernsehen arbeiten. Er initiierte bereits neue Turnierserien und gründete die Karch Kiraly Volleyball Academy für Kinder und Jugendliche. Zudem hilft er als Trainer dem High- school-Volleyballteam seiner beiden Söhne auf die Sprünge. Für Karch Kiraly, in San Clemente an der kalifornischen Pazifikküste zu Hause, scheint es keine Grenzen zu geben, nichts, was er nicht schaffen könnte. Sie lieben Typen wie ihn in den Vereinigten Staaten. Sein einstiger Partner Mike Lambert sagte einmal, Karch Kiraly sei so unwiderstehlich, er solle sich um die Präsidentschaft bewerben. Erwächst da also Gouverneur Schwarzenegger Konkurrenz? Kaum. Er habe „keine Pläne in Sachen Politik“, lässt er verlauten. Da ist dann selbst für Karch Kiraly die Grenze.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.11.2007, Nr. 45 / Seite 21

 

Bildmaterial: AP, picture-alliance / dpa